DER MANN, DER ZU MIR PASST ODER EIN INSERAT IN DER SÜDDEUTSCHEN 

Selbstversuch by Ursula * 24.Februar 2017

Der Entschluss war schnell gefasst, der Text von 3 der 10 besten Freundinnen als „reizend, charmant, da steht alles drinnen...“ abgesegnet und der Preis stand auch fest: € 180,- in der Samstagausgabe, für print und online in der Rubrik „Heirats- & Bekanntschaftsanzeigen“. Das Alter um fünf Jahre runtergescharubt, ansonsten alles wahrheitsgemäß.

Die Süddeutsche – dachte ich – hat ein größeres Einzugsgebiet, die Bayern – uns Österreichern irgendwie artverwandt - und ein neues Terrain könnte auch nicht schaden. Grenzgebiet nicht zu vergessen!

 

Als ich am Samstag den Computer startete und auf mein – extra dafür eingerichtetes – Gmail-Konto schaute, war ich mehr als überrascht. Bereits ab 6.00 Uhr früh waren die ersten Anwärter online und hatten Nachrichten hinterlassen.

 

  • Kandidat 1:
    mit Foto, aus Sri Lanka – 23 Jahre alt. Oh nein, der arme Kerl würde sogar heiraten um auswandern zu können. Wie schrecklich!
  • Kandidat 2:
    ohne Foto, ziemlich langweiliger Text.
  • Kandidat 3:
    mit Foto, Text eh’ nett, aber so gar nicht mein Typ.
  • Kandidat 4: mit Foto, reizender Text. Der ältere Herr kam mir so bekannt vor.Und dann erinnerte ich mich an die geliebte Kindersendung meiner Tochter: Meister Eder und sein Pumuckl, ja genau, das war er, der Meister Eder. Der Doppelgänger von Gustl Bayrhammer -  für meine Tochter sicher ein liebenswürdiger Opa – aber zu mir – so gar nicht passend.
  • Kandidat 5:
    ein Narzisst, von der ersten bis zur letzten Silbe. Danke, nein.

 

Und während ich so las, flatterte bereits ein neues Mail herein:

Cool und herzerfrischend formuliert. Sehr offen, kurz und bündig. Das klang ja nun interessant. Und schon kam das zweite Mail desselben Absenders hinterher: inklusive Foto. Oh ja, - das klang nun wirklich sehr, sehr gut: ähnliche Interessen, cooler Beruf, Hunde-Liebhaber, Münchner, alleinstehend und sehr interessiert... Aber erst das Foto: genau der Typ, der mir ausnehmend gut gefällt. Groß, schlank, längere Haare, intensive Augen, gut geschnittenes Gesicht, Hakennase.... Es fiel mir leicht, spontan darauf zu antworten und bereits ab diesem Moment entspann sich ein reger Austausch.

 

Gleich vorab:

Es kamen auch in den nächsten Stunden und Tagen weitere Mails und einige Briefe diverser Interessenten. Insgesamt 37 Stück. Ich war – ob des regen Rücklaufs – sehr überrascht. Etliche davon waren wirklich liebenswürdig, aber leider sprang keine Funke über.

 

  • Einige wollten gleich einziehen, einer davon mit seiner Mutter.
  • Ein paar boten an, meinen Garten umzugraben?!  Ich hatte weder darum gebeten, noch Bedarf. War ich doch erst in mein Haus eingezogen und hatte meinen Garten gerade eben neu angelegt.
  • Dann gab’s einen Verschwörungs-Theoretiker, der mir einen unheimlichen, eng beschriebenen 6-seitigen Brief, Punktgröße 8 schrieb und mir Angst machte.
  • Ein anderer wiederum schloss mich ab jetzt in seine unzähligen Gebete ein – das konnte nun nicht wirklich schaden.
  • Der Nächste wollte mal vorab meine Moral und Jungfräulichkeit abklopfen.
  • Dann gab’s einen 30 Jahre Älteren, der keinen Brief, sondern ein Paket mit getrockneten Rosen sandte. Der darin befindliche Brief war ebenfalls romantisch auf Rosen-bedrucktem Briefpapier, sein Konterfei lächelte mir von jeder Briefseite verführerisch zu. Handgeschrieben erzählte er in den höchsten Tönen von sich, welch toller Liebhaber er war, welch Sir der alten Schule, welch eloquenter Frauenversteher und überhaupt....
  • Dann das Heiratsangebot. Von einem Manager, der auf Grund meines kleinen Inserates, die große Liebe ableitete und außerdem esoterisch bereits wusste, das genau ich, ja ich die einzig Richtige wäre. Ohne mich jemals gesehen oder gesprochen zu haben. Dem mehrseitigen, erklärenden Brief folgten noch weitere, inklusive jeder Menge Fotos, auf denen der potentielle Zukünftige mit viel Prominenz abgebildet war. Sehr eindrucksvoll!
    Da fällt mir gleich dazu der Artikel „ein gefaktes Leben“ auf unserem Blog www.digi-tale.at ein.
    Mittlerweile hatte ich ihm schon längst höflich abgesagt. Doch es folgte eine Flut an weiteren Briefen. Ihr könnt mir glauben, wie heilfroh ich war, keinen Namen, keine Telefonnummer, keine Adresse angegeben zu haben. Die Postsendungen kamen alle an die Süddeutsche und wurden von dort an mich weiter geleitet. Irgendwann gab er dann auf. Große Erleichterung!
  • Richtig lustig hatte ich es – und ich gestehe, auch meine Tochter und meine 10 besten Freundinnen – mit dem älteren Paar Claude und Jaques, das mir ihre Gunst incl. allumfassendes Verwöhnprogramm, hervorragendes Essen, klassische Musik, tolle Weine und exquisiten Champagner anboten. Die beiden waren so genial und amüsant, dass wir einige Male hin und her schrieben, wobei meine Freundinnen noch mehr an ihnen und ihren kreativen Ideen interessiert waren, als ich.

 

Denn ich hatte ja inzwischen Paul, den reizenden Münchner, als Mann der Wahl. Die Korrespondenz war intensiv, mehrmals täglich, anziehend, erheiternd, liebevoll. Der Austausch der Telefonnummern erfolgte, Paul kündigte seinen Anruf für den Abend an. Er hatte jedoch vergessen zu sagen, an welchem Abend.

 

Und das Inserat in der Süddeutschen habe ich vor einem Jahr aufgegeben.

 

Kopf hoch Mädels – im Nachhinein betrachtet war es eine interessante Erfahrung mit unterschiedlichen Menschen – und würde ich in Wirklichkeit nicht an Märchen und die dazugehörigen Prinzen glauben – wäre vermutlich auch ein echter Mann aus Fleisch und Blut dabei gewesen.

 

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